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Anno 1800

Von Tjark Würstlein am 23. Mai 2019 in Review

Das Spiel Anno 1800 des deutschen Entwicklerstudios Ubisoft Blue Byte ist eine Echtzeit-Aufbau-Simulation angesiedelt in der Zeit der Industrialisierung. Man begleitet seine eigenen Bewohner vom Stand der einfachen Bauern, bis hin zur voll ausgereiften Industriemacht. Seit über 20 Jahren bringt die Quersumme 9 der Serie Glück und Erfolg- so hat sich Ubisoft nach den zwei letzten Spielen 2070 und 2205, welche sehr futuristisch in einer Science-Fiction-Welt spielen, wieder auf seine historischen Wurzeln besinnt.

Das Gameplay hat sich gegenüber den bisherigen Teilen der Anno-Serie nicht groß verändert. Die Spielwelt, Bevölkerungsstrukturen, Technologien und Architektur sind selbstverständlich wieder mit viel Liebe zum Detail dem Zeitgeist eines europäischen 1800 angepasst. So heißt es beispielsweise auch: Acht geben, dass die Bevölkerung sich nicht aufwiegelt und man urplötzlich mit einem Arbeiteraufstand konfrontiert ist. Getreu den historischen Gegebenheiten hat der Spieler nun die Chance zu entscheiden: Errichtet man basierend auf den Elementen der Demokratie eine friedliche Siedlung mit florierendem Handel oder möchte man selbst mal in die Rolle Napoleons schlüpfen und lieber auf Feldzug gegen andere Inseln ziehen, um sein eigenes Imperium zu vergrößern?

Jedoch anders als in den bisherigen Anno-Teilen hat sich die Spielstruktur in Sachen Siedlungsentwicklung geändert. Zuvor war es möglich, schon beinahe willkürlich mit seinen Ressourcen zu haushalten. Gerade unerfahrenere Spieler standen dann vielleicht vor Entscheidungen, ob bisherige Entwicklungen gestärkt werden sollten, oder in welche Projekte neu gewonnene Ressourcen investiert werden sollten. Diese Entscheidungsproblematik nimmt Anno 1800 dem Spieler nun zum Teil ab. Das Spiel gibt dem Spieler nun quasi einen Vorgehensvorschlag an die Hand, um unnötige oder nicht sinnvolle Investitionen zu vermeiden. Man ist schnell im Spiel angekommen. Ohne lange auf der Insel nach Rohstoffen suchen zu müssen, erkennt man bereits nach dem „Vorbeifahren“ an Insel mit dem Schiff, welche Ressourcen dort vorzufinden sind. Mit ein paar wenigen Grundressourcen ist man schnell in der Lage eine Siedlung aufzubauen. Was jedoch weiter damit geschieht, liegt ganz in der Hand des Spielers.

Man kann im Verlaufe eines Spiels auch verschiedene Quests erfüllen. Diese erhält man entweder von NPCs, wie beispielsweise Händlern, Kolonialherren etc., oder auch von den eigenen Bürgern. Quests sind meist kurzweilige Zwischenaufgaben. Man entbehrt zum Beispiel für einige Zeit sein Schiff, um es loszuschicken und Vorräte oder Schiffbrüchige einzusammeln. Es gibt aber auch größere Quests, sogenannte Expeditionen, in denen unbekannte Teile der Welt, also nicht nur die Karte, erforscht werden. Hierfür muss ebenfalls ein Schiff bereitgestellt werden, aber zusätzlich muss die Mannschaft noch mit Vorräten ausgestattet werden. Sobald eine Expedition gestartet wurde, werden in regelmäßigen Abständen Statusberichte eingeblendet. Diese schildern, was in den letzten Tagen der Crew passiert ist und bieten die Möglichkeit zu entscheiden, wie weiter Verfahren werden soll. Dabei kann auf die Bedürfnisse der Crew eingegangen werden oder aber der Fortschritt der Expedition um jeden Preis vorangetrieben werden. Wenn die Mannschaft dauerhaft übergangen wird, dann riskiert man allerdings eine Meuterei und dadurch den kompletten Fortschritt der Expedition.

Mit dem Erfüllen von Quests oder auch dem Erreichen von bestimmten Entwicklungen kann man sein Ansehen bei den anderen Spielern erhöhen. Dies kann auch durch Aktionen wie Schmeicheln oder Bestechen erreicht werden. Ist das Ansehen hoch genug, sind andere Mächte eher bereit, Handel zu treiben oder im besten Falle sogar eine Allianz einzugehen. Die Vorteile einer guten Beziehung zu den anderen Spielern sind vielfältig. Sie reichen von dem Zugriff auf zusätzliche Ressourcen, über Geldzuwendungen bis zu Unterstützungen im Kriegsfall. Aber nicht jedem Spieler gefällt es, wenn man einen höheren Entwicklungsstand hat als er. Das bedeutet, dass so bei einzelnen Spielern das eigene Ansehen auch sinken kann. Dasselbe passiert auch, wenn man es nicht schafft, Quests rechtzeitig zu erfüllen. Ein schlechter Ruf macht Kooperationen eben dementsprechend schwerer.

Trotz des hohen Komplexitätsgrades des Spiels ist die Steuerung sehr einfach und intuitiv. Alle Interaktionen können mit der Maus ausgeführt werden. Da dies aber bei zunehmender Spielerfahrung zu behäbig oder ineffizient ist, sind fast alle Menüpunkte auch über Tastendruck beziehungsweise Tastenkombinationen abgebildet.

Obwohl der Hauptfokus der Aufbausimulation nicht unbedingt auf einer guten und ausgereiften Story beruht, hat Anno 1800 es geschafft, eine angenehme Hintergrundgeschichte für den Einzelspielermodus zu schaffen.

Die Story dreht sich um ein Familiendrama. Die Kampagne beginnt damit, dass die Schwester des Spielers diesen in einem Brief bittet, nach Hause zurückzukehren, da der Vater in Schwierigkeiten steckt. Wir kommen im Einzelspielermodus auf die Insel Brightsands, auf der unser Vater und sein Bruder eine florierende Firma aufgebaut haben. Dort erfahren wir, dass der Vater von unserem Onkel als Verräter bezeichnet wird und sich im Gefängnis befindet. Kurz darauf wird der Vater in seiner Zelle erhängt aufgefunden. Natürlich wird dem Fall als Selbstmord nicht weiter Beachtung geschenkt. So klar ist uns und unserer Schwester der Fall jedoch nicht. Das Ganze wirkt doch eher, als sei eine Verschwörung im Gange. Als neues Oberhaupt müssen wir uns weiter um die Familie kümmern. Die Anschuldigungen, welche unseren Vater jedoch ins Gefängnis brachten, liegen nun jedoch schwer auf unserm eigenen guten Ruf. Als die Nachkommen eines Verräters werden wir von der Insel verbannt und müssen mit ein paar wenigen Rohstoffen auf einer benachbarten Insel eine neue Existenz aufbauen.

An sich ähnelt die Kampagne weitestgehend einem normalen Sandbox- oder Unendlich-Spiel, nur dass es kurzgesteckte Meilensteine gibt. Diese Meilensteine geben uns eine gute Hilfe und führen uns gezielt durch die einzelnen Entwicklungsstufen. Neben diesen Meilensteinen existieren im Story Modus noch weitere Elemente, welche man in den anderen Spiel-Modi nicht antrifft. Das Auffälligste sind Zwischensequenzen, die beim Erreichen bestimmter Meilensteine ausgelöst werden und die Geschichte voranbringen. Zusätzlich gibt es Gefängnisinseln, die einem eigenständigem Spieler unterstehen. Oder auch besondere NPCs, wie einen Sprengmeister, der Felsen aus dem Weg räumt, um weitere Gebiete erschließen zu können. Aber alle diese besonderen Elemente stehen in irgendeiner Verbindung zum Verlauf der Story. Der Strang der Story ist vorgegeben, bleibt jedoch auch nach mehreren Stunden Spielzeit spannend und nicht vorhersehbar.

Der beschriebene Story Modus ist allerdings nur einer der möglichen Spielmodi. Es gibt neben der Kampagne noch einen stark modifizierbaren Unendlichkeits-Modus und einen ausgereiften Multiplayer-Modus. Im Endlosspiel können wir eine Vielzahl von Parametern selbst bestimmen und so eine Partie mit unbegrenzter Dauer starten, bei der wir gegen, oder eben mit, bis zu vier Computerspieler spielen. Die einstellbaren Variablen reichen von Startkonditionen, über Terraineigenschaften bis zur Intelligenz der computergesteuerten Mächte. Der Multiplayer ist quasi identisch mit dem Unendlichkeitsspiel, nur dass bis zu drei andere menschliche Spieler via Internet teilnehmen können. Dabei klappt die Vernetzung sehr einfach, weil das Spiel kurz nach dem Start automatisch eine Verbindung mit dem Server aufbaut und so eine Suche nach aktiven Spielen stattfinden kann. In einer Mehrspieler-Partie hat trotzdem jeder Spieler seinen eigenen Spielstand, sodass auch alleine weitergespielt werden kann, sollte kein Internet verfügbar sein. Zudem wird der Spielstand häufig gespeichert.

Die Grafik und der Detailgrad des Spiels übertrifft noch mal alle Vorgänger. Das Spielgeschehen wirkt realistisch und lebendig. Es werden alle Elemente klar und gut erkennbar dargestellt, der wirklich erstaunliche Grad an Details wird aber erst sichtbar, wenn nah herangezoomt wird. Dann wird auch der passende Charakter jedes Bauwerks sichtbar. So wird quasi jeder Bürger einzeln mit einem eigenen Leben dargestellt. Man kann den Fabrikarbeitern förmlich zusehen, wie sie nach getaner Arbeit im Pub ein Bier zu sich nehmen. Durch die Fülle an gleichzeitig ablaufenden Interaktionen zwischen Bürgern kann man sich ohne Probleme lange im Staunen verlieren, ohne dass das Ganze repetitiv wirkt. Die Spielwelt lässt sich so schon fast mit einem sich bewegenden Wimmelbuch vergleichen. Das Spiel geht sogar so weit, dass uns Bürger Quests erteilen, die nur aufgrund des Detailgrads zu lösen sind. So bittet uns zum Beispiel eine Bäuerin ihren Mann im Pub zu finden, oder Arbeiter wollen zum Jubiläum ein besonders schönes Foto von ihrer Fabrik geschossen haben.

Die Klangwelt tut ihr restliches, um ein Gefühl einer lebendigen Welt zu schaffen. Dabei passt sich die Klangkulisse den dargestellten Details an. Wenn die höchste Zoomstufe gewählt ist, hören wir Arbeitergesänge und Gläser klirren. Wenn mit einer eher weltüberschauende Zoomstufe gespielt wird, dann tritt der eigentliche Soundtrack mehr in den Vordergrund. Dabei schaffen es die instrumentalen Stücke sehr gut, die Stimmung und den allgemeinen Zustand des Geschehens beziehungsweise der Siedlung einzufangen. Die großzügige Vertonung von NPCs und Bürgern ist auch zu erwähnen. Die NPCs kommentieren meist ihre Handlungen, sodass klar ist, warum sie etwas tun. Dadurch geben sie dem Spieler Ideen, wie dieser weiter verfahren könnte oder was er unterlassen sollte. Oder es wird die besondere Gewichtung einer Quest oder Situation klar gemacht.

Obwohl der Sound recht umfangreich ist, werden für verschiedene Ereignisse immer dieselben Tonsignale verwendet. Sodass der Spieler nach kurzer Eingewöhnung sofort weiß, was ein Ton bedeutet und welcher Bereich seine Aufmerksamkeit erfordert, ohne zu einer dauerhaften Ablenkung zu führen.

Das Spiel kommt in der Handelsversion in einer ganz im Stil des Titels designten Box. In der Box befindet sich weiteres Bonusmaterial. Zum einen liegt eine Auswahl des Spielesoundtracks auf CD bei, zum anderen drei Postkarten von Konzeptzeichnungen.

Fazit

Ich fand die Länge der Story, die mit 10 Stunden angesetzt ist, in einem eher auf Endlosspiel ausgelegtem Titel sehr angenehm. Wahrlich sprachlos hat mich der Detailgrad beim Heranzoomen der Spielwelt gemacht. Das spürbare pulsierende Leben der eigenen Siedlung schafft ein gutes Gefühl und Entspannung von der Hektik der realen Welt. Die einfache Steuerung und das übersichtliche Benutzerinterface, sowie die klaren Aufbauschritte haben mir den erneuten Einstieg in die Anno-Reihe sehr erleichtert. Auch die Gestaltung der physischen Version hat mir sehr gut gefallen und die Postkarten haben einen verdienten Platz an der Wand gefunden. Einziger Kritikpunkt für mich ist, die nicht komplett genaue Nachbildung der Geschichtsschreibung. So wurden ein paar unliebsame Teile der Geschichte einfach ausgeklammert, ohne dass dies im Spiel erklärt wird. Dadurch bildet sich unter Umständen ein falsches Bild der Geschichte. Aber da es sich um ein Spiel handelt, das Unterhalten soll, ist dieser Schritt einigermaßen nachvollziehbar beziehungsweise vertretbar. Insgesamt finde ich Anno 1800 einen sehr gelungenen Titel, der mich von der Performance und Detailverliebtheit sehr überrascht hat.

 

Positiv

  • Einsteigerfreundlich
  • erstaunlicher Detailgrad der Darstellung

Negativ

  • historisch nicht ganz korrekt
90

Geschrieben von: Tjark Würstlein

Hat seit dem Gameboy jede Handheld-Generation ausgiebig genutzt. Es stehen vorallem Coop- und Multiplayer-Spiele hoch im Kurs.

Anno 1800

Publisher:Ubisoft
Release Datum:16. April 2019

USK Alterseinstufung

Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.

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