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X4 – Foundations

Von Witali Blum am 17. Januar 2019 in Review

Liebe X-Fans, freut euch! Ein neuer Ableger eures Lieblingsuniversums ist erschienen und verspricht alles, was sein Vorgänger Rebirth falsch gemacht hat, zu korrigieren. Nachdem man fünf Jahre gebraucht hat, die herbe Enttäuschung zu verarbeiten, während immer mehr Updates das 2013 erschienene Produkt zunehmend spielbar machten, hofft man nun zu Recht auf ein qualitativ hochwertiges Produkt. Lest im folgenden Test, ob sich die gesetzte Hoffnung bewahrheitet.

Wo ist der Zündschlüssel?

Der Start in X4 – Foundations erscheint zunächst vielversprechend. Es können drei Karrieren, die unterschiedliche Starbedingungen vorgeben, ausgewählt werden: Der junge Aufsteiger, Krieger aus Überzeugung und Entdecker ohne Erfahrung. Das erste Raumschiff, der anfängliche Kontostand, das Startgebiet sowie die Fraktionszugehörigkeit werden somit festgelegt. Ein individueller Trailer suggeriert eine zur Rolle passende Einführung, um langsam an das harte Leben im X-Universum herangeführt zu werden. Leider erfüllt sich die Hoffnung nicht, endlich eine sinnvolle Einführung zu erhalten. Zwar gibt es die beschriebenen unterschiedlichen Startbedingungen, doch mehr bekommt der Spieler nicht an die Hand als ein Hilfe-Menü, das mittels H-Taste geöffnet wird und sehr grundlegende Tutorials beinhaltet. Bei Auswahl eines Themas wird ein Skript gestartet, das mit etwas Glück zur aktuellen Situation passt. Flugschule wäre beispielsweise ein guter Anfang. Wer jedoch Schiff übernehmen probiert, wird feststellen, dass irgendwann eine Aktion nicht durchführbar ist, weil schlichtweg kein herrenloses Schiff in der Nähe ist. Zum Glück kann das Tutorial jederzeit abgebrochen sowie erneut angegangen werden.

Wenn das Hilfe-Menü wenigstens jeden Aspekt in Foundations thematisch abdecken würde, könnte man sich mit dieser eingeschränkten Hilfestellung arrangieren, getreu dem Motto: Besser als Nichts! Allerdings reicht die Unterstützung höchstens für die Grundlage, sich zu bewegen, sowie ein paar Sonderfälle. Bei dem riesigen Umfang an Möglichkeiten, das X4 – Foundations bietet, wären mehr Beispiele – sei es auch nur in Videoform – angebracht. Leider verlässt sich Egosoft ebenso wie beim gefloppten Vorgänger Rebirth auf die fleißige Community, Let´s-Play-Videos sowie einige wenige eigene Videoproduktionen auf YouTube. Für Neulinge ist somit die Lernkurve extrem steil, womit auch nicht der Schwierigkeitsgrad, sondern die komplexe Steuerungsvielfalt den Spielspaß gefährden können. Die unzähligen Tastenkombinationen ohne eingeblendete Tastaturübersicht zwingen den Spieler immerzu in die Steuerungseinstellungen zum Nachschauen. Auf Dauer ist das sehr nervig, bis man endlich alle Kommandos verinnerlicht hat.

Theoretisch sind alle Schiffsfunktionen über ein zentrales Menü zugänglich und können mittel Maus vergleichsweise komfortabel bedient werden. Praktisch gibt es aber unzählige, kaskadierte Untermenüs, die jeglicher Übersicht entbehren. Allein die Sektor-Karte, die Schiffkontakte auflistet, erinnert stark an einen überladenen Excel-Pivot-Plot. Gutes User Interface ist was anderes und lässt erneut Parallelen zum misslungenen Vorgänger ziehen. Die letzte Hoffnung eines Weltraum-Flugsimulations-Enthusiasten ist in solchen Fällen normalerweise ein HOTAS-Kontroller (hands on throttle and stick – engl. für Hände an Gashebel und Steuerknüppel). Viele Funktionen dürfen dann auf die zahlreichen Knöpfe dieser besonderen Joystick-Gattung umgelegt werden und sind dann oftmals besser zu verinnerlichen. Wer in Foundations darauf setzt, muss zunächst eine Hürde nehmen: die Steuerungseinstellungen im Optionsmenü. Man verschwendet zunächst sehr viel Zeit damit, sich darauf zu verlassen, dass eines der durch die Entwickler vorgelegten Steuerungs-Profile wohl mit ein wenig Feinschliff zum eigenen Gerät passt. Spätestens wenn bei der Konfiguration plötzlich der Mauszeiger an den äußeren Bildschirmrand abhaut und sich nicht zu einer weiteren Zusammenarbeit überreden lässt, kommt die Ernüchterung. Es ist doch nicht so einfach wie gedacht.

Dreißig Minuten Google-Karate später findet sich eine Lösung: Sämtliche Steuerungsfunktionen sind nicht unter einem Menüunterpunkt, sondern gleich drei zusammengefasst, nämlich Allgemein, Bewegung auf Plattformen und Menünavigation. In allen diesen Optionen muss man die Mausemulation für den Joystick deaktivieren, da allenfalls willkürlich zugewiesene Steuerungsachsen den Mauszeiger bewegen. Natürlich kann man auch gezielt den Rundblickschalter des Steuergeräts nutzen, um die Mausbewegung zu übernehmen. Dumm nur, dass man trotzdem nicht komplett auf die Maus verzichten kann, denn spätestens beim gezielten Abfeuern der Primärwaffen wird es mit dem Joystick ziemlich hektisch. Ein weiterer Tipp für HOTAS-Nutzer, die ihren Kontroller nach langen Jahren auspacken und sich wundern, warum Windows 10 diesen plötzlich nicht mehr erkennt, ist neben der obligatorischen Aktualisierung der Treiber oder Firmware die Stromspareinstellungen des Systems für USB-Anschlüsse komplett abzuschalten.

 

3, 2, 1 – Zündung!

Erst wenn die Steuerung optimal auf die eigenen Bedürfnisse eingestellt worden ist, kann sich ein Gefühl des vertrauten Lernens einer komplexen Weltraumsimulation einstellen. Getreu dem Motto „Probieren geht über Studieren“ wird der Spieler in die Sandbox-Welt des X-Universums entlassen. Das Startkapital reicht wie in allen X-Spielen höchstens für eine metaphorische Tüte Popcorn, sodass an Handeln, Bergbau oder Kopfgeldjagd mit der anfänglichen Nussschale von einem Raumschiff gar nicht erst zu denken ist. Der eigene Character, dessen Aussehen man eigentlich nie erfahren wird, weil es einerseits keinen Charaktereditor und andererseits keine reflektierenden Oberflächen im Spiel gibt, darf sein erstes Schiff betreten – entweder direkt über die Trittleiter oder einen Transporter. Der Piloten-Stuhl wird angeklickt, das Schiff abgedockt und los geht der wilde Flug. Jedes Gefährt kann vom Spieler auf diese Art persönlich geflogen werden, sofern es ihm gehört. Alternativ darf man auch Piloten oder anderes Personal einstellen, das diesen Job übernimmt.

Die ersten einfachen Credits verdient man sich wie eigentlich in jeder Weltraumwirtschaftssimulation mit Taxidienst, sofern man im Scan-Modus des eigenen Raumschiffs in der Nähe von Raumstationen offene Kommunikationspunkte findet, die diese Art Mission vermitteln. Dumm nur, dass die Wahrscheinlichkeit genau so einen Auftrag zu erhalten, ziemlich gering ist. Viel öfter wird man eher auf Erkundungsmission in weiter Ferne, auf Sabotage, Schwarzmarkthandel oder gar Kopfgeldjagd geschickt. Das sind alles Aufträge, die überhaupt nicht zum Spielstart taugen, weil sie wegen mangelnder Ausrüstung nicht abschließbar sind. Dafür aber zahlt jeder beförderter Taxigast, den man ergattern kann, ein solch fürstliches Beförderungsentgelt, dass man locker ein zweites Raumschiff dafür erwerben kann. Mit etwas Glück bleibt noch etwas Geld für Bergbauausrüstung oder Handelswaren übrig, sodass die Wirtschaft, das Kernelement von Foundations, endlich erprobt werden darf.

Diese Kurzanleitung für einen sinnvollen Spielstart hat sich erst nach zehn bis fünfzehn Stunden Herumprobierens herauskristallisiert. Zugleich wurden zahlreiche Bugs gefunden, die ziemlich ärgerlich waren. Im einfachsten Fall befand sich ein Kommunikationspunkt im Knickgelenk eines Stationsseitenarms und war somit von allen Seiten nicht zugänglich, denn man muss sich mit seinem Raumschiff direkt darauf befinden. Wenige Meter daneben und es gibt keinen Empfang. Als dennoch versucht wurde, sich in die Lücke zu zwängen, tauchte man plötzlich in die Station ein wie ein Geist. Dieses Geistwandeln ist ebenso in der Persona innerhalb der Stationen an vielen Ecken möglich. Da scheint die Kollisionsabfrage im Programmcode noch nicht optimiert worden zu sein.

In einem anderen Fall hatten wir einen Kapitän für unser Schiff rekrutiert, diesen ans Steuer gesetzt und sind kurz auf die Plattform raus, um einerseits unser Gefährt von außen zu bewundern und andererseits uns eine neue schicke Wumme zu leisten. Im Aufrüstungsmenü, das übrigens direkt über die GUI und kein Terminal wie sonst erwartet zugänglich ist, hat sich schnell eine passende Ausrüstung gefunden. Der Spieler ist bei Vertragsabschluss noch vorgewarnt worden, dass die Aufrüstung etwas dauern könne, weil nicht alle Bauteile sofort verfügbar seien. „Kein Problem“, dachten wir, „das ist ja so realistisch, wie die Reparatur der eigenen Karre in einer Werkstatt.“ Der Kauf ist getätigt worden, doch plötzlich hebt unser Flieger ohne uns ab und schwebt davon in die Weiten des Weltalls. Man wartet fünf Minuten, zehn Minuten, eine halbe Stunde und gibt schließlich die Hoffnung auf. Unser Raumer wurde von unserem eigenen Angestellten entwendet! Wie geil ist das denn? Dazu hat die Aufrüstung unser Konto geplündert, sodass wir auf der Plattform gestrandet sind. Ohne einen vorher angelegten Speicherpunkt, hätte der Spieler gleich eine neue Karriere beginnen müssen.

Man stolpert sehr häufig über solche Unzulänglichkeiten, die so merkwürdig sind, dass man sich fragt, ob das nicht zufällig ein Feature statt eines Bugs sein soll. So entdecken beispielsweise andere Spieler die Vorteile des Raumanzugs, der nicht nur einen Space-Walk oder Reparatur am Schiff erlaubt, sondern auch mittels EMP-Bombenwerfer den Diebstahl millionenteurer Blaupausen ermöglicht. Zahlreiche Anleitungen hierzu finden sich im Netz. Allerdings kann dieser Part nur von fortgeschrittenen Spielern ausprobiert werden, da die zugehörige Ausrüstung sowie eine eigene Forschungsbasis erst einige große Investitionen erfordern.

Aerodynamik

Das Flugverhalten in X4Foundations ist je nach Wunsch auf klassischer oder futuristischer, Nicht-Newtonischer Physik basierend. Während im ersten Fall ein Objekt in der Schwerelosigkeit des Alls nach Beschleunigung ohne weitere Krafteinwirkung seine Geschwindigkeit sowie Bahn beibehält, ermöglichen im zweiten Fall Trägheitskompensatoren samt Steuerdüsen eine instantane Bewegung in beliebige Richtung sowie ein plötzliches Abbremsen. Profis kombinieren beide Flugverhaltensarten, die mittels Knopfdrucks schnell umgeschaltet werden können. So hält man zum Beispiel feindliche Verfolger zwar im andauernden Flug auf Distanz, beharkt sie aber gleichzeitig nach einer 180 Grad Drehung quasi im Rückenflug aus allen Rohren. Flugassistenz heißt diese Funktion und bereichert die Erfahrung eines jeden Hobby-Weltraum-Piloten.

Flugfehler führen übrigens in der Nähe von Stationen nicht zum sofortigen Ableben, wenn man etwa gegen eine Wand knallt, sondern man büßt nur minimal an Schildenergie ein. Außerdem betrachten die Stationsbesitzer den tollpatschigen Spieler gnädig. Es gibt nicht Mal eine Verwarnung. Das kennt man aus einigen Vorgängern anders – ein Kratzer im Lack und du bist ein Feind bis ans Lebensende. Darüber hinaus kann man sich das Wohlwollen der besitzenden Fraktionen verdienen, indem man deren Feinde nahe ihren Einrichtungen – selbstverständlich auch mit tatkräftiger NPC-Unterstützung – bekämpft. Rabatte und besondere Kaufoptionen winken dann zur Belohnung. Allerdings ist das von Egosoft angepriesene, ausgeklügelte Wirtschaftssystem nicht immer gut zu verstehen. Warum kosten zum Beispiel Batterien an ihrem Produktionsort mehr als ein paar Hundert Kilometer weiter, wo sie verbraucht werden? Warum beauftragen Schwarzmarkthändler den Spieler, eine verbotene Ware zu finden, und verkaufen ihm diese aber selbst noch im gleichen Atemzug? Da stimmt was nicht!

 

Spezialbeschichtung

Die optische Darstellung von X4 – Foundations hat das Potenzial zu einer Grafikdemo zu avancieren, denn auf der höchsten Detaileinstellung zwingt das Spiel jede Grafikkarte in die Knie beziehungsweise in den Frame-Zeitlupenmodus – und das nur bei Full HD. Richtig spielbar wird der Titel erst auf mittelmäßigen Stufen, was zugegebenermaßen bei einer wassergekühlten GTX 1080 ungewohnt ist. Von den zahlreichen Clipping-Bugs abgesehen bietet Foundations ein schönes, wenn auch etwas düsteres Bild auf das Universum. Die modular aufgebauten Raumstationen sind riesig und kommen erst beim Betreten als Passagier richtig zur Geltung. Allerdings gibt es vergleichsweise fast zu wenige NPCs, während das All nur so von Raumschiffen überschwemmt wird. Die computergesteuerten Figuren zeigen sogar Gestik und Mimik – nette, unerwartete Details, die gerne weiter ausgebaut werden dürfen.

 

Akustik

Was X4 an grafischer Pracht bietet, passt zum fulminanten Soundtrack, der die Weltraumsimulation betont. Leider gilt das nicht für die Synchronsprecher, die zum Beispiel die Missionsvideos an Kommunikationspunkten vertont haben. Mein persönlicher akustischer Tiefpunkt war der Auftrag eines Boron-Wissenschaftlers, der in piepsiger Micky-Maus-Stimme auf Liebhaber-Niveau vorgelesen worden ist. Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Leider trifft dies zumindest auf die Kommunikation im Spiel zu.

 

Fazit

Nach dem Flop von X – Rebirth hatte ich insgeheim gehofft, dass Egosoft seine Lektion daraus gelernt hätte und nicht mehr ein derart unfertiges Produkt auf den Markt werfen würde. Ein stolzer Preis von knapp 50 Euro pro Spiel suggeriert zumindest, dass X4 – Foundations sein Geld wert sein müsste. Leider war die Lektion, die offensichtlich verinnerlicht worden ist, eine andere: Wir können weitermachen wie bisher, unsere geduldige Fangemeinde unterstütz uns. Das stimmt auch! Stoisch warten die Hardcore-X-Fans einen Patch nach dem anderen ab oder legen gar selbst Hand an, um einen lästigen Fehler zu beheben. Dazu zähle ich mich aber definitiv nicht! Dementsprechend benenne ich X4 – Foundations zu meinem persönlichen Flop des Jahres 2018. Ich habe nicht viel erwartet und wurde trotzdem enttäuscht. Nur Beharrlichkeit, Pflichtbewusstsein sowie Neugier ließen mich die ersten zähen zwanzig Spielstunden überstehen. Es war eine Einarbeitung im wahrsten Sinne des Wortes und kein Spielspaß. Danach ging es besser aber der Ersteindruck ist sehr prägend. Die Tatsache, dass man an jeder Ecke über Fehler oder ungeahnte Features stolpert weist darauf hin, dass abermals die Qualitätsprüfung auf den Kunden ausgelagert worden ist. Somit empfehle ich den Entwicklern drei Jahre Zeit zu geben, ihr Produkt fertigzustellen, und es schließlich mit allen Erweiterungen in einem Ausverkauf zu erwerben. Als Bonus gibt es dann zu jenem Zeitpunkt unzählige Modifikationen produziert durch treue Fans.

 

 

Positiv

  • sehr umfangreiche Weltraumwirtschaftssimulation
  • zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten
  • sehr gute Flugphysik
  • hat Potenzial für immersive Erfahrung

Negativ

  • unfertiges Produkt mit zahlreichen Fehlern
  • keine wirkliche Hilfestellung für Einsteiger
  • schlechte Synchronisation der NPCs
  • GUI im Pivot-Excel-Stil
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Geschrieben von: Witali Blum

X4 – Foundations

Publisher:Egosoft
Entwickler:Egosoft
Release Datum:30. November 2018

Verfügbar für

Genre

USK Alterseinstufung

Alterseinstufung ausstehend.

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