The Surge 2

Von Witali Blum am 14. Oktober 2019 in Review

Der Überraschungshit The Surge aus dem Jahre 2017 erhält eine Fortsetzung, die sinnvollerweise mit The Surge 2 betitelt wird. Schon damals konnten die Entwickler von Deck13 Interactive mit ihrem Mix aus Science-Fiction und brutal schwierigem Gameplay im Stil eines Dark Souls begeistern. Der aktuelle Ableger soll diese bewährten Elemente aufgreifen und zusätzlich eine ordentliche Menge Verbesserungen erhalten haben. Wir haben das Spiel für euch geprüft und präsentieren anbei das Erlebte wie gewohnt mit einem abschließenden Fazit.

 

Klimawandel und Technik

In The Surge war der Spieler nichts Geringerem als einer globalen Verschwörung auf der Spur, die zwar ursprünglich das Ziel hatte, den menschengemachten negativen Klimawandel rückgängig zu machen, aber auf dem Weg dorthin einige ethisch fragwürdig Maßnahmen auf den Weg gebracht hatte. Eine davon war es, intelligente Nanomaschinen freizusetzen, die unter anderem 95 Prozent der Menschheit dezimiert hatten. Die Rechnung ist einfach: Keine Menschen und somit kein menschengemachter Klimawandel mehr, auch wenn die ursprüngliche Absicht anders gewesen sein mag. Die Naniten befallen Menschen und zersetzen allmählich deren Körper in die ursprünglichen, atomaren Bestandteile. Da dieser Vorgang entfernt an die Defragmentierung einer Festplatte erinnert, erhielt die Seuche die Bezeichnung Defrag.

Das Endzeitszenario des ersten Parts wird in The Surge 2 fortgesetzt. In der Gestalt eines zunächst namenslosen Niemand brechen wir auf in die Stadt Jericho, um dort unserem sonst tristen Leben wieder einen Sinn abgewinnen zu können. Unser letzter Job brachte uns einen Flug in der ersten Klasse eines Fluggefährts ein, das uns bequem zum Zielort transportieren soll. Die angestrebte Stadt ist eine der wenigen, sicheren Bastionen, in die sich die Menschheit vor dem Ansturm der Naniten zurückziehen konnte. Was jedoch als ein vergnüglicher Flug begonnen hat, endet in einer Katastrophe. Das Gefährt stürzt mitten in der Stadt ab und der Protagonist überlebt scheinbar als einziger Passagier. Zwei Monate liegt er im Koma und erwacht auf der Medizinstation eines streng bewachten Gefängnisses.

Spätestens als ein formwandelndes Monster die Haftstätte Stück für Stück auseinandernimmt, dämmert es dem Helden – oder je nach anfänglicher Charakterwahl auch der Heldin, dass etwas faul ist im Staate Jericho. Bewaffnet mit zwei Defibrillator-Pads als Ersatz-Boxhandschuhen und geschützt mit einem luftigen Flügelhemd sollen wir uns an wild gewordenen Insassen, gewalttätigen Robotern und schlagkräftigen Riot-Control-Wachen vorbei in die Freiheit kämpfen. Wahrlich, das Spiel ist erbarmungslos zu Neueinsteigern. Nur die nächstgelegene MedBay (engl. für Medizinbucht), die leider erst nach einem schwierigen ersten Zwischenbosskampf zugänglich wird, sorgt für ausgeglichene Verhältnisse, indem sie dem Protagonisten ein mächtiges Exoskelett verpasst, das ihn Ausrüstung sowie bessere Waffen nutzen lässt. Gleichzeitig dient sie als Kontrollpunkt zum Speichern.

Die Herausforderung

Das Spielprinzip, das für die Souls-Reihe so typisch sein soll, lautet hierbei Live-Die-Repeat. Grob übersetzt bedeutet dies: Leben-Sterben-Wiederholen. Man spielt meistens bis zum ersten schwierigen Gegner, wird vollkommen von dessen Angriffskraft sowie Attacken überrascht und erlebt damit verbunden eine vorzeitige Sequenz des eigenen Ablebens. Das Spiel wird zurückgesetzt bis zum letzten Kontrollpunkt und man erhält die Chance, es erneut mit dem Feind aufzunehmen. Die Grundvoraussetzungen wie Ausrüstung oder Charakterwerte bleiben dabei größtenteils unverändert und nur die Kenntnis der bevorstehenden Herausforderung wie etwa Angriffsmuster, Umgebung oder Reichweite der Attacken sollen einen Sieg möglich machen.

Damit das Sterben aber dennoch schmerzt und viel Frustration aufbaut, verliert der Charakter bei leerer Lebensleiste gleichzeitig seinen gesamten angesammelten Vorrat an Tech Scrap (engl. für Technologieschrott). Dies ist die Universallwährung in The Surge 2 mit der alles bezahlt wird, von Ausrüstungsupgrades über Charakterwerteerhöhungen bis hin zu Munition für die Fernkampfwaffen. Der Spieler erhält jedoch eine Chance, sich den verlorenen Schatz zurückzuholen, indem er innerhalb eines knappen Zeitfenster von seiner aktuellen Stätte der Wiederauferstehung, nämlich der zuletzt besuchten MedBay bis zum Sterbeort gelangt und rechtzeitig die Credits einsammelt. Das Problem dabei ist, dass alle vormals getöteten Gegner ebenfalls auferstanden sind und natürlich den Weg dorthin erneut behindern. Ebenso wartet am Zielort entweder der Feind oder die schwierige Sprungeinlage, die zum vorzeitigen Ableben geführt haben.

Zum Glück dürfen die Moneten in jeder MedBay wie in einer Bank gebunkert werden, sodass sie nicht verloren werden können. Ebenso finden sich in der Umgebung sogenannte Schrotthaufen, die im Inventar erhalten bleiben und später gegen die Universallwährung eingetauscht werden. Warum sollte man aber nicht seinem Instinkt folgen und jeden angesammelten Betrag sofort auf die Bank bringen? Zum einen führt jeder Besuch der MedBay dazu, dass die Spielwelt zurückgesetzt wird und mit einigen wenigen Ausnahmen alle Gegner erneut erscheinen. Das macht dann die Suche nach versteckten Geheimnissen unnötig schwierig, weil man nicht mehr aus dem Kämpfen herauskommt. Zum anderen läuft im Hintergrund ein Multiplikator, der nach jedem Kampf Zinsen für jeden gesammelten Tech Scrap gewährt. Die scheinbar sichere Bank setzt ihn jedes Mal auf den Wert Eins zurück und führt zu einem ähnlichen Zinssatz, wie ihn die EZB aktuell zu verschulden hat.

Der dritte Vorteil, ein Risiko des Totalverlustes eingehen zu wollen, ist, dass ein nach dem Ableben hinterlassener Geldhaufen, heilende Schockwellen ausstößt und unterstützend in einem Gefecht wirken kann. Auch das Aufsammeln führt dazu, dass ein Großteil der roten Gesundheitsleiste regeneriert wird. So mancher Gegner lässt sich dann einfacher besiegen, weil der Held zwischendurch einen Gesundheitsschub erhält. Bis auf dieses Feature, ist das Währungssystem somit nahezu identisch mit demjenigen aus Dark Souls, wo Seelen eingesammelt werden und ein Lagerfeuer als Kontrollpunkt fungiert.

Irgendwann muss man jedoch einen Teil des angesammelten Vermögens einsetzten, um weiter im Spiel voranzukommen, sei es auch nur um das Exoskelett upzugraden und dafür pro Level jeweils zwei Punkte zu erhalten, die in die Attribute Gesundheit, Ausdauer sowie Energie investiert werden können. Gleichzeitig führt jedes Upgrade dazu, dass der permanent angebrachte Kampfanzug einen zusätzlichen Energiekern erhält, von denen eine gewisse Anzahl benötigt wird, um Implantate tragen zu können. Diese nützlichen Helfer ermögliche zum Beispiel, dass der Held die Energie des Anzugs zur Heilung nutzen, in Gefechten seine Akkus aufladen oder die Angriffsrichtung eines herannahenden Schlages voraussehen kann. Vor allem die letztgenannte Unterstützung wird benötigt, um kraftvolle Konter platzieren zu können.

Während sich Implantate und Schrotthaufen überall in Jericho finden lassen, müssen Waffen und Rüstungsteile aus den kalten Händen getöteter Feinde entrissen werden. Das hört sich einfacher an, als es wirklich ist, denn dazu muss in einem Gefecht an einem einzelnen Gegner ein gepanzertes Körperteil anvisiert und angegriffen werden. Zwar erleidet der Opponent dann weniger Schaden als an ungeschützten Stellen, zeigt aber irgendwann nach zahlreichen eingesteckten Treffern eine eingeblendete Taste über seinem Kopf, nach deren längerem Drücken der Feind auf brutale Weise hingerichtet wird und dabei das anvisiert Körperteil verliert. Das abgetrennte Glied dient dann als Schema, um eine eigene Version davon in der Medizinbucht anfertigen zu können. Neue Waffen werden direkt erhalten, wenn die feindliche Waffenhand abgetrennt wird. Eine Rekonstruktion ist nicht erforderlich.

Bossgegner bilden übrigens keine Ausnahme. Wenn man sich die Mühe macht, ihre Körperteile gezielt anzugreifen, wird man nach dem Kampf oftmals mit einer besseren Waffe in der Version 2.0 belohnt. Das gezielte Abschlachten muss auf jeden Fall fortgesetzt werden, da neben der optischen Unterhaltung, eine Fatality-Sequenz zu sehen, so auch Rohstoffe für Herstellung sowie Upgrades der Ausrüstung erlangt werden. Während die ersten Verbesserungen bezüglich Tech Scrap und Materialien noch relativ kostengünstig erschienen, erfordern spätere Optimierungen deutlich mehr Investitionen wie auch hochwertige Rohstoffe, die nur starken Gegnern abgenommen werden können. Darüber hinaus erhält der Protagonist häufig neue Ausrüstung zur Belohnung für erfüllte Nebenaufgaben.

Abgesehen von schwierigen Kämpfen und einigen seltenen Sprungeinlagen hat The Surge 2 in Sachen Spieltiefe nicht viel zu bieten. Der Spieler schnetzelt sich an Gegnern vorbei und erkundet dabei die Umgebung, um entweder versteckte Extras zu finden oder Abkürzungen zur nächstgelegenen MedBay zu öffnen. Selten trifft man auf eine unüberwindbare Blockade, weil die Hintergrundgeschichte dies zum Beispiel noch nicht erlaubt. Sobald jedoch die richtige Fähigkeit erworben oder der passende Feind besiegt worden ist, öffnet sich jede versperrte Tür. Geduld und Ausdauer sind hier gut anwendbare Tugenden.

Apropos Ausdauer, als eine der drei Hauptattribute wird diese Eigenschaft mittels einer grünen Leiste direkt unter der roten Lebensleiste visualisiert. Jeder Schlag, jede Ausweichbewegung und jede Blockade verbraucht einen vergleichsweise hohen Anteil davon. Nur wenn man für eine kurze Zeit nichts tut, wird die Leiste wieder regeneriert. Selbst wenn Implantate die Regeneration deutlich beschleunigen, kann der Spieler in Kämpfen nie mehr als zwei oder drei Kampfkombinationen platzieren, ehe ihm die Puste ausgeht und er wiederum quasi wehrlos Dresche einstecken muss. Umso wichtiger ist dann neben einer geeigneten Taktik die optimale Rüstung zu haben, die entweder den Schaden deutlich reduziert oder andere Vorteile im Kampf bietet. Besonders effektiv sind übrigens Teile eines Harnisches, die zusammen ein Set bilden.

Die dritte Eigenschaft des Spielcharakters in seinem Exoskelett ist die Energie, die wie eine blaue mehrstufige Linie aussieht. Die Stufen repräsentieren dabei eine Akkuladung, die, wenn sie voll ist, dazu genutzt werden kann, um ein Injektionsimplantat aufzuladen. Eine Injektion kann zum Beispiel dazu dienen, einen Teil der Lebensleiste zu füllen, die eigenen Rüstungswerte kurzzeitig zu erhöhen oder sogar mehr Nahkampfschaden auszuteilen. Energie erhält man in der Regel durch erfolgreich ausgeführte Schläge gegen Feinde wie auch im Ausnahmefall bei eingesteckten Hieben, sofern man dafür ein seltenes Implantat mit einer entsprechenden Fähigkeit gefunden hat. Die gesammelte Energie sollte möglichst schnell in Ladungen umgewandelt werden, da sie sonst ungenutzt auf das ursprüngliche Grundniveau herabsinkt. Leider kann nicht eine unbegrenzte Anzahl an Ladungen gesammelt werden, denn diese ist immer abhängig vom Gegenstandslevel des jeweiligen Injektionsimplantats.

Die letzte Stadt

Passend zur post-apokalyptischen Hintergrundgeschichte aus The Surge 2 wirkt Jericho wie eine Hochburg der Anarchisten. Überall lauern Schläger, die dem Protagonisten ans Leder wollen. Zwischen Wohngebäuden, Nachtclubs oder schlichtweg Geräteschuppen finden sich abgeworfene Kisten aus verbrauchten Hilfspaketen. Fahrzeuge sind leerstehend und zumeist durch irgendwelche Gewalten umgeworfen worden. Brennende Mülltonnen dienen als Lagerfeuer, nicht fachgerecht entsorgte, toxische Chemikalien vergiften die Wasserversorgung und tödliche Wirbel aus Naniten komplettieren das urbane Bild dieses Ödlands. Trotz der unterschiedlichen Gestaltungselemente erscheint die Levelgestaltung in The Surge 2 tunnelartig, zumindest solange man einen Pfad zum ersten Mal beschreitet. Mit zusätzlichen Fähigkeiten wie einem Kraftgreifhaken lassen sich Abkürzungen öffnen oder alternative Wege beschreiten, sodass die Level dann nicht mehr so stark abgeschlossen erscheinen.

Die Schadensphysik der Grafik fokussiert sich hauptsächlich auf die Kämpfe, während in der Umgebung selbst nur leere Kisten zerstörbar sind. Das ist schade, denn so wirkt das Spiel trotz zahlreicher Design-Elemente und einer einigermaßen spannenden, cineastisch untermalten Hintergrundgeschichte unfertig. Nur die dynamische Beleuchtung, die erst auf einer High-End-Grafikkarte so richtig erkennbar wird, hebt den Titel von den Massen ab. Zusammen mit den brutalen Finishing-Animationen wie in Mortal Kombat kann man dem Titel das Prädikat „durchaus sehenswert“ zuweisen.

Soundtechnisch gibt es keine Besonderheiten, die hervorzuheben wären. Eine je nach Situation dynamische Musik unterstreicht die Kämpfe, während die Kampf- oder Sterbegeräusche selbst vergleichsweise dezent sind. Die Synchronsprecher haben in diesem Spiel relativ wenig zu tun, da sich die Hintergrundgeschichte mittels weniger Videosequenzen und sogenannter Audio-Logs, eine Art Soundaufzeichnungen, erzählt. Somit müssen im Grunde nur Texte abgelesen werden. Schauspielerische Leistung ist nicht wirklich erforderlich.

Schließlich sollte erwähnt werden, dass The Surge 2 am besten mittels eines Gamepads gespielt werden sollte. Maus und Tatstatur gehen zwar auch, doch die anspruchsvollen Kämpfe dieses Titels erfordern schnelles Schalten und Kombinieren, was die klassische Computer-Steuerungs-Kombo für Laie unnötig kompliziert macht.

Fazit

The Surge 2 ist ein würdiger Nachfolger des ersten Teils, der die Schlüsselelemente aufgegriffen und noch weiter optimiert bekommen hat. Die Kämpfe spielen sich trotz knackigem Schwierigkeitsgrad wesentlich flüssiger, die Fatalities sind wunderschön anzusehen und die Hintergrundgeschichte ist zusammenhängend erzählt. Nur die spärliche Schadensphysik an der Umgebung sowie das repetitive Spielprinzip mit einem Hang zum Grinden: Live-Die-Repeat trüben die Gesamterfahrung. Spieler, die gerne ein Spiel zu hundert Prozent vervollständigen, werden sich freuen, dass nach erreichtem Finale eine „New Gampe Plus“-Option zur Verfügung steht, mit mehr Arsenal-Upgrades sowie einigen weiteren versteckten Infos. Genrekenner können hier getrost zugreifen, sofern sie es verkraften können, dass The Surge 2 sehr häufig aus Dark Souls abgekupfert hat.

Positiv

  • actionreiche Kämpfe
  • großes Arsenal
  • schöne Lichteffekte

Negativ

  • nicht einsteigerfreundlich
  • viel von Genrekonkurrenz kopiert
  • sehr Grind-lastiges Gameplay
80

Geschrieben von: Witali Blum

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